Katharinas Jobsuche


Seit wir die Zusage für die Kita bekommen habe war ich auf Jobsuche. Also so seit Oktober. Ich hatte es dieses Mal nicht eilig, was wirklich angenehm war. Ich habe deshalb langsam angefangen.

Erst habe ich meinen Lebenslauf auf englisch aktualisiert, dann mein LinkedIn Profil. Dort kann man einstellen dass man auf Jobsuche ist und wird dann von Recruitern gefunden. Dann habe ich mein Anschreiben aktualisiert und ins Schwedische übersetzt. Dabei hat mir unsere Nachbarin geholfen, die Liebe 😊. Ich habe nach einem Job als Softwareentwickler gesucht. Ich habe circa 4 Jahre Berufserfahrung und einen Master in Bauingenieurwesen. Normalerweise ist es kein Problem einen Job zu finden. Aber jetzt ist Pandemie, ich habe ein Kind und will gerne Teilzeit arbeiten.

Bei LinkedIn haben sich schnell Recruiter gemeldet. Das ist so eine Sache mit Recruitern. Aus Deutschland kenne ich das nur so, dass die unabhängig von den Unternehmen arbeiten für die sie die Jobs vermitteln. Man kann sich auch einfach selbst beim Unternehmen bewerben und die Recruiter haben oft auch keinerlei Mehrwissen. In Deutschland habe ich es einmal mit einem Recruiter probiert und das war absolute Zeitverschwendung.

Hier in Schweden ist es üblich dass ein Unternehmen ein Recruiting Unternehmen anheuert und man sich bei dem Recruiting Unternehmen bewirbt. Die übernehmen dann das erste Aussortieren und organisieren Vorstellungsgespräche. Es gibt hier auch Recruiter, die so arbeiten wie ich es aus Deutschland kannte.

Relativ schnell hatte mir eine Recruiterin geschrieben mit einem passenden Job. Ein Telefonat mit ihr hat mein zu dem Zeitpunkt noch nicht fertiges Anschreiben ersetzt. Danach folgte ein Vorstellungsgespräch mit dem CTO und einem Softwareentwickler der Firma. Ich glaube die waren sehr interessiert und ich habe schon die in der Branche übliche Programmieraufgabe gesendet bekommen, was in dem Fall meinem Verständnis nach die letzte Hürde gewesen wäre. Aber ich hatte gar kein gutes Gefühl und habe abgesagt.

Zusätzlich haben mich die Gespräche sehr gestresst. Für jedes Telefonat, jede Mail, jedes Gespräch, jedes Lebenslaufupdate musste Marvin frei nehmen, unsere Tochter war ja zu Hause. Ich habe also beschlossen die Jobangebote weiter zu beobachten, mich aber erst wieder zu bewerben, wenn die Kita gestartet hat oder etwas wirklich vielversprechendes auftaucht, für das sich der Stress lohnt.

Eine Bewerbung auf eine sehr gut passende Stelle habe ich noch geschrieben. Als ich nach geraumer Zeit nochmal nachgefragt habe hieß es die Stelle sei besetzt. Kurz darauf schrieb mir der Chef und fragte nach meinen Gehaltsvorstellungen. Nach meiner Antwort, dass er mir doch den Bereich nennen sollte den sie bereit sind zu bezahlen habe ich nichts mehr gehört.

Weiter ging es dann Ende Januar. Als erstes meldete ich mich arbeitslos bei der Arbeitsagentur (Arbetsförmedlingen). Das ging alles online, man kann sich auch dort mit BankID anmelden, und ich musste da nie hin, was aber an der Pandemie liegt. Da ich auch kein Arbeitslosengeld (A-kassa) beantragt habe war das alles ganz entspannt. Man trägt online seinen Lebenslauf ein und dann hatte ich ein kurzes Telefonat und es wurde bestimmt, dass ich gute Aussichten habe und mich nur nochmal melden soll wenn ich in einem halben Jahr nichts gefunden habe. Einmal im Monat musste ich außerdem einen online Report absenden in dem steht was ich so gemacht habe.

Es kann wohl Vorteile haben sich arbeitslos zu melden, auch wenn man kein Arbeitslosengeld beantragt. Gerade wenn man andere Leistungen in Anspruch nehmen will. Wenn man sich beispielsweise arbeitslos gemeldet hat und dann Elterngeld bezieht bekommt man denselben Satz wie vor der Arbeitslosigkeit. Und man kann auch Workshops machen um seinen Lebenslauf zu verbessern, die dann die Arbetsförmedlingen bezahlt.

Den Lebenslauf den man eingegeben hat kann man dann zusammen mit anderen Infos über sich selbst in der Platsbanken, dem online Stellen-Such-Portal, für Arbeitgeber sichtbar machen. Das habe ich getan und mich haben teilweise ganz komische Leute angerufen mit Entwicklerjobs in Göteborg, als Consultant. Obwohl ich natürlich angegeben hatte wie und wo ich arbeiten will. Das war also nicht so gut. Was dafür aber sehr gut war, ist, dass wirklich alle Jobs, die von einem Unternehmen ausgeschrieben werden auch in der Platsbanken auftauchen. Man braucht also nur dieses eine Portal und muss nicht verschiedenste gewerbliche Portale, bei denen man erst Mitglied werden muss um das Unternehmen zu sehen, durchsuchen.

Beworben habe ich mich dann Ende Januar auf eine Softwareentwicklerstelle, bei einem Unternehmen, das erst kürzlich schon wieder für seine tolle Arbeitskultur ausgezeichnet wurde. Außerdem habe ich mir eine Firma rausgesucht, die Erweiterungsprogramme für CAD-Software entwickelt, was ganz gut zu meinem Hintergrund als Bauingenieur passt. Die hatten zwar keine passende Stelle ausgeschrieben, aber ich habe denjenigen der für die Einstellungen verantwortlich ist bei LinkedIn kontaktiert. Bei beiden Stellen wurde ich zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Bei der CAD-Firma war ich sogar vor Ort, was ich als entspannter empfunden habe. Ich habe die Vorstellungsgespräche zum Großteil auf Schwedisch geführt und da fand ich es einfacher, wenn ich die Leute beim Sprechen in Echt sehen konnte. Das Vorstellungsgespräch lief gut, aber ich hatte danach das Gefühl, dass die Firma mit Methoden von vor 20 Jahren arbeitet. Es wird nicht im Team gearbeitet, agil schonmal gar nicht, weil dazu wäre das Unternehmen ‘zu klein’. 😀

In einer solchen Umgebung hatte ich schonmal gearbeitet, vielleicht ist das typisch für die Baubranche, die echt unheimlich hinterher und konservativ ist. Und da habe ich keine Lust mehr drauf. Was ich auch verstörend fand, war, dass mir erst erzählt wurde, dass die Firma im letzten Jahr ihren Umsatz um 20 % gesteigert hat. Und dann 10 Minuten später, dass leider auf Grund der Pandemie viele Leute entlassen werden mussten. Ja klar. Und dann dass sie so viel zu tun haben. Die wollten dann den Geschäftsführer fragen, ob sie mich einstellen dürfen. Ich habe aber nie mehr etwas gehört. Obwohl ich Ende März so genervt war, dass ich da erwogen habe dort anzufangen.

Die andere Firma wirkte vielversprechender. Das erste Vorstellungsgespräch lief über Microsoft Teams (so wie jedes online Vorstellungsgespräch was ich hier hatte). Und erstmal war das nur ein allgemeines Gespräch, mit jemandem, der eine ganz andere Rolle hat als ich und mir demnach meine fachlichen Fragen nicht beantworten konnte. Ich habe aber gefragt ob die Firma agil arbeitet und eine bejahende Antwort bekommen.

Als nächstes sollte ich dann eine Programmieraufgabe lösen für die ich 48h Zeit hatte. Dann sollte ich Persönlichkeitstests sowie Tests machen, die meine numerischen, verbalen und logischen Fähigkeiten messen. TalentQ-Tests heißen die und die muss man hier praktisch für jeden Job machen. Ich hätte direkt absagen sollen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nichtmal mit einem Entwickler gesprochen, hatte keine Ahnung wie meine Aufgaben oder mein Umfeld aussehen würden aber sollte direkt so viel Zeit investieren!

Spätestens als ich die Programmieraufgabe gesehen habe hätte ich wirklich absagen sollen. Ich habe extra gefragt was ich brauche um die zu lösen. Und trotzdem saß ich dann hier in meiner spärlich bemessenen Zeit. Unsere Tochter war nur 3 Stunden am Tag in der Kita, und ich musste erstmal einen Haufen Sachen installieren. Und ich habe auch insgesamt echt besseres zu tun als umfangreiche Programmieraufgaben zu lösen. Ich bin ja kein Berufseinsteiger. Im Grunde ist das unbezahlte Arbeit.

Der Test war dann auch sehr spezifisch auf die Technologien ausgerichtet, die in dem Unternehmen verwendet werden, die eigentliche Aufgabe war nicht schwer zu lösen. Auf Tests wurde keinen großen Wert gelegt. Ich habe das also so halbherzig fertig gemacht, so viel wie ich Lust hatte. Was ein Unsinn auch, dass der Test auf 48 Stunden begrenzt ist, wie soll man das denn mit Job überhaupt machen? Und mit Kindern? Mir wurde vorgeschlagen das doch am Wochenende zu machen. Ja klar.

Dann habe ich die anderen Tests gemacht, die wirklich reine Quälerei sind. Erst dann durfte ich mit Entwicklern sprechen. In dem Vorstellungsgespräch musste ich dann meinen Bildschirm übertragen und während jede meiner Eingaben überprüft wurde, vor den Entwicklern eine weitere Programmieraufgabe lösen. Es ging nicht darum, dass die sich auch mir vorstellen. Es ging nur darum mich zu testen. Meine Programmieraufgabe hatten sie sich vorher nichtmal angesehen. Außerdem haben sie mir auf Nachfrage so Dinge verraten, wie dass sie Bereitschaftsdienst haben, es vorkommt, dass Kunden sie anschreien, sie generell nicht agil arbeiten, sondern jedes Team so wie es will. Auch dass kaum getestet wird, dass es keine Codestandards gibt und auch keinerlei Dokumentation, wenn man etwas wissen will, dann muss man die richtige Person fragen. Wie konnte diese Firma ausgezeichnet werden?! Ab diesem Zeitpunkt war mir klar, dass ich da nicht arbeiten will. Ich wollte aber auch wissen, wie ich bei den Tests abgeschnitten hatte und habe noch ein Gespräch gehabt um das zu erfahren. Gut hatte ich abgeschnitten. Ich erinnere mich noch besonders an die Frage, wie denn meine Qualitätsansprüche mit Deadlines zusammenpassen würden. Oh man.

Insgesamt war der ganze Prozess eine zusätzliche Erfahrung. Ich konnte ein bisschen üben mich auf schwedisch vorzustellen. Ich hatte diese doofen Tests einmal gemacht und ich wusste was ich definitiv nicht wollte.

Dann kam erstmal eine Zeit lang nichts mehr rein und ich habe ein paar Initiativbewerbungen geschrieben und einen Kurs über ein Onlineportal begonnen, das war wirklich nett, mal wieder was Neues zu lernen und zu programmieren. Anfang April habe ich dann wieder eine echt interessante Stellenausschreibung gesehen, bei der auch erstmal alles stimmte. Es wurde sogar nichtmal direkt in der Ausschreibung mit dem Tischtennistisch geworben, oder damit, dass es kalte Cola Zero gibt. 😔 Außerdem war auch dieses Unternehmen als Great Place To Work ausgezeichnet worden.

Aber anscheinend kann man da ja nicht viel drum geben… Dort war es so, dass die Bewerbung über eine Recruiting Firma lief. Die zuständige Recruiterin meldete sich recht schnell bei mir und wir vereinbarten einen ersten Termin für ein Vorstellen. Und es war auch wirklich diesmal ein Kennenlernen. Das war die netteste Recruiterin, mit der ich es je zu tun hatte. Ich war etwas nervös und sie hat mir gesagt, dass sie mich so oder so weiterschickt, sie möchte nur wissen, was ich brauche, damit es mir in dem Unternehmen gut geht.

Das nächste Gespräch war mit einem Entwickler und einem Manager und ich durfte alle Fragen stellen die ich hatte und hatte wirklich das Gefühl, dass es auch darum geht, dass ich etwas über das Unternehmen erfahre. Außerdem hatte ich der Recruiterin schon meinen Lebenslauf erzählt, so dass ich das nicht nochmal machen musste. Ich war so beeindruckt. Die Firma hatte alles! Neue, aber robuste Technologien und es gibt Codestandards. Alle arbeiten agil, testen ist Pflicht und wird bei einem CodeReview bemängelt wenn es fehlt. Haaaach, super! Da der Entwicklerchef bei dem Vorstellungsgespräch leider kurzfristig krank war, habe ich kurz darauf nochmal mit dem geredet und dem Team Lead von dem Team in das ich kommen sollte. Alle waren super offen und nett und nach dem Gespräch waren alle so zufrieden, dass ich den Programmiertest nicht machen musste, weil ich die richtige Einstellung mitbringe und alles andere kann man lernen. 🥰

Als nächstes musste ich die TalentQ Tests nochmal machen, das lief gut. Und diese Persönlichkeitstests sind wirklich ziemlich genau, so dass sich die Recruiterin ein gutes Bild davon machen konnte was ich brauche um mich wohlzufühlen. Als nächstes möchte der Arbeitgeber in Schweden immer Referenzen haben, dafür gibt es hier keine Arbeitszeugnisse. Aber es war auch kein Problem, dass ich statt Referenzen meine deutschen Arbeitszeugnisse geschickt habe. Überhaupt habe ich den ganzen Prozess als sehr unkompliziert und offen empfunden.

Als nächstes wurde ich eingeladen einmal vorbeizukommen um das Team kennenzulernen und mir mein Angebot abzuholen. Auch das lief super. Ich habe das Angebot mit nach Hause genommen, eine Nacht drüber geschlafen und dann zugesagt. Ich bekomme 30 Tage Urlaub/Jahr, 6 Monate Probezeit, arbeite 75 %, die ich mir selbst einteilen darf. Wenn man Kinder unter 8 Jahren hat, hat man hier immer das recht auf bis zu 75% runter zu gehen.

Wichtig war mir noch den Sommer frei zu bekommen. Das ist kein Problem, ich kann die 4 Wochen, die die Kitas hier geschlossen haben frei nehmen und werde dafür sogar bezahlt. In Schweden hat man immer das Recht auf den vollen Urlaub direkt wenn man anfängt. Manche Unternehmen bezahlen den dann Urlaub sogar. Wenn man dann weniger als 5 Jahre in dem Unternehmen arbeitet muss man den zurückbezahlen, ansonsten nicht.

Letzte Woche habe ich angefangen und wie das lief erzähle ich ein anderes Mal! Die Kitazeiten haben wir problemlos online umgestellt und mein Equipment konnte ich direkt im Büro abholen. Die ersten Tage war ich vor Ort, aber jetzt werde ich wie alle anderen von zu Hause aus arbeiten. Ich freue mich richtig!

Und jetzt eure Geschichten zu schlimmen und schönen Vorstellungsgesprächen bitte! 😀

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