Corona Virus in Borås
Nachdem wir heute morgen bei Zeit online einen Artikel darüber gelesen haben, dass die Welt still steht, nur in Schweden nicht, dachten wir es könnte interessant sein wie wir das erleben!
Wir bekommen ja mit was in Deutschland so los ist, wir telefonieren regelmäßig und manchmal gucken wir die Tagesschau. Im Vergleich dazu haben wir hier tatsächlich noch viel Bewegungsfreiheit.
Als in Deutschland die Kitas und Schulen geschlossen wurden, wurden hier in Borås zeitgleich die offenen Kitas geschlossen. Unsere Elterngruppe wurde auch auf unbestimmte Zeit eingestellt. Katharina sitzt also seit 2 Wochen zu Hause, wie ihr alle. Und spricht kaum Schwedisch.
Die Kitas und Schulen blieben vorerst auf, wobei Familien in denen mindestens ein Elternteil arbeitslos oder in Elternzeit ist ihre Kinder nicht mehr in die Kita bringen durften. Etwas später wurden dann die Gymnasien, die hier ab Klasse 10 beginnen, die Universitäten und die Erwachsenenbildungseinrichtungen geschlossen und es wurde auf Distanz gewechselt, das heißt Unterricht übers Internetz.
Auch das hat uns betroffen, weil wir genau am ersten Tag der Schließung einen Termin zum Starten des Schwedisch Distanzkurses gehabt hätten. Über den Kurs Berichten wir allerdings ein andermal. In der ersten Woche hat Katharina noch Leute beim Spazieren getroffen die schon diese vergleichsweise wenigen Maßnahmen für übertrieben hielten. Zu nah kommen wollten sie dann aber auch nicht. 😀 Insgesamt war da schon überall spürbar weniger los. Trotz tollem Wetter war kaum jemand am See und auf den Straßen sah man auch weniger Leute. Wir haben bis heute allerdings noch niemanden mit Mundschutz hier gesehen. In der Mitte der ersten Woche durfte man nur noch hinten in den Bus einsteigen und die Fahrerkabine wurden von innen mit Absperrband versperrt. Bis heute fahren die Busse aber weiterhin. Bei Marvins Kantine konnte man sich im Laufe der ersten Woche dann die Hände desinfizieren und Einmalhandschuhe nehmen. Genau eine Woche nach der Schließung der offenen Vorschule sollte bei Marvins Job jeder Homeoffice machen der konnte. Das ist wirklich etwas doof. Wir leben hier ja in dieser vollgestellten untergemieteten Wohnung und es war schon für Katharina nicht schön sich hier den ganzen Tag aufzuhalten, aber Marvin arbeitet jetzt den ganzen Tag an einem Campingtisch. Zusätzlich gehen die Fassadenbauarbeiten an den Häusern neben unserem trotzdem weiter und der Container in dem die Bauarbeiter Mittagspause machen steht genau vor unserem Balkon. Der Nachbar der so gerne Ziehharmonika spielt hat damit leider auch jetzt nicht aufgehört. Marvin war dann letzte Woche zumindest einen Tag im Büro, um nicht verrückt zu werden und da war gespenstisch wenig los.
Ansonsten geht hier zumindest für uns das normale Leben weiter. Alles was man nur zum Spaß macht oder irgendwie nach Hause verlegen kann wird eingestellt, alles andere läuft weiter. Sogar der Heimbesuch der Hebamme hat stattgefunden. Sie hat uns nur nicht die Hand gegeben. Und wenn man krank ist soll man nicht in die Praxis kommen. Also insgesamt leben wir zwei hier dasselbe Leben wie ihr in Deutschland. Das liegt daran, dass wir nur ein kleines Kind haben und auch daran, dass wir die deutschen Nachrichten sehen und beunruhigter sind als viele Schweden. Und dementsprechend halten wir uns mit dem Rausgehen zurück. Wir würden jetzt im Moment wirklich nicht in einen Bus steigen wenn wir nicht müssen. Auch wenn die fahren. Beim Lebensmitteleinkauf merkt man nichts von irgendwelchen Coronamaßnahmen, naja, vielleicht dass das Salatbuffet zu ist und das Nudelregal auffallend leer, ansonsten ist alles beim Alten. Die Verkäufer tragen beispielsweise keine Handschuhe oder gar Mundschutz.
Wenn man hier in Schweden die deutschen Zeitungsartikel liest, beispielsweise im aktuellen Spiegel, stimmt die Darstellung schon dass Schweden einen Sonderweg geht wenn erst seit Sonntag ein Limit von 50 Personen die sich versammeln dürfen gesetzt wurde.
Andererseits wirkt es teilweise so als ob Schweden krampfhaft als fahrlässig dargestellt werden müsste, beispielsweise wenn die “schlackernde[n] Pullis” vom Staatsepidemiologen Anders Tegnell kommentiert werden, genauso wie unterstrichen wird, dass er kein gewähltes Amt trägt (Warum sollte ein Staatsepidemiologe gewählt werden?).
Klar wurden in vielen anderen skandinavischen und europäischen Ländern sehr schnell die Grenzen geschlossen, dass es in den letzten Jahren in denselben Ländern einen starken Rechtsruck gab sollte dabei nicht vollkommen in Vergessenheit geraten.
Eine Sache die innerhalb von Schweden sehr stark kritisiert wird, und die wir auch kritisch sehen, ist dass die Skigebiete weiterhin offen sind und auch über Ostern offen zu bleiben scheinen.
Das wirkt auch auf uns unnötig fahrlässig.
Wir werden sehen ob die Wachstumsrate der Fallzahlen weiterhin in Schweden im Rahmen bleibt, so wie es aktuell der Fall ist.
Auf reddit war letztens ein Zitat von einem schwedischen Dokumentarfilmmacher, Erik Gandini zu finden. Der sagt, dass der schwedische Lebensstil unsere größte Waffe in einer Zeit der Ansteckung sei. Das kann schon sein! Man kommt sich hier eh nie so nah! Und die Bevölkerungsdichte ist hier natürlich viel viel geringer als in Deutschland. Mal sehen was noch kommt. Wir hoffen auf jeden Fall dass es euch gut geht. Dass ihr alle gesund seid und bleibt und euch die Decke nicht auf den Kopf fällt. Und falls doch, dann schreibt uns doch einen Kommentar und klagt uns euer Leid! 😊
Kommentare