Öppna Förskolan


Ich war in den letzten 3 Wochen jetzt regelmäßig mit unserer Tochter in der Öppna Förskolan in Sjöbo und erzähle euch ein bisschen darüber. Öppna Förskolan bedeutet ‘die offene Vorschule’. Man sagt nicht mehr ‘Dagis’ zur Kita hier, sondern Vorschule, weil das der Betreuung eher gerecht wird. Als ich einmal Dagis gesagt habe war aber auch niemand sauer 😊. In der Kommune Borås gibt es 8 offene Vorschulen, eine davon ist eine mobile Vorschule. Glücklicherweise ist eine der festen offenen Vorschulen nur 10 Gehminuten von unserem vorübergehenden Zuhause entfernt.

Die offene Vorschule kann jeder mit seinem Kind oder Enkelkind oder halt irgendeinem Kind besuchen. Manchmal sind auch mehrere Erwachsene pro Kind da. Jeder passt also auf das Kind, das er dabei hat, selber auf. In der Vorschule sind immer mindestens zwei ausgebildete Erzieherinnen da, an ausgewählten Tagen ist noch eine Bibliothekarin, eine Sozialarbeiterin, eine dritte Erzieherin oder eine Barnmorska da. Eine Barnmorska hat ähnliche Aufgaben wie eine Hebamme in Deutschland. Nur hat die studiert und etwas mehr Verantwortung. Eine Barnmorska macht zum Beispiel den Abstrich, den in Deutschland der Gynäkologe macht. Außerdem macht sie auch die ganzen U-Untersuchungen bei Kindern, es gibt nur ein paar bei denen ein Arzt dabei ist. Insgesamt gibt es im Vergleich zu Deutschland dadurch mehr Untersuchungen und auch Hausbesuche. Wenn das Kind krank ist geht man aber zum Arzt.

Die offene Kita in Sjöbo ist jeden Tag geöffnet. Zwei Tage die Woche vormittags von 9 bis 12 und nachmittags von 13 bis 16 Uhr. Die anderen Tage nur entweder vormittags oder nachmittags. Es gibt verschiedene feste Veranstaltungen. Singen ist immer um 11, um 10 gibt es an manchen Tage eine Märchenvorlesung und um 15 Uhr wird sich bewegt. Es gibt in der Kita drei Räume, der erste ist für die Fikarast, also die Kaffeepause, die Schweden immer und gerne machen. Bei sehr starkem Kaffee versteht sich. Es gibt dort auch Tee und Brot und Käse und andere Sachen zu essen und auch Babybrei.

Der zweite Raum ist ein Raum voller Spielzeug, Malutensilien, Knete, Spielzeugküchen, Bällebad, alles was man sich so vorstellen kann.

Der dritte Raum ist recht leer, da wird immer gesungen und vorgelesen und sich bewegt. Das Singen wird mit Gitarre begleitet und ist meine liebste Veranstaltung da. Ich hab aber gelesen dass es bald einen Waffeltag gibt 😀

Fotos habe ich nicht gemacht, es wird sehr darauf geachtet, dass man keine Fotos von anderen Kindern macht, weil die sich noch nicht dagegen wehren können.

Ich verstehe ganz gut Schwedisch, ich bin aber nicht so gut im Sprechen. Ich habe mich am Anfang einmal ganz stark überwunden und habe direkt nur Schwedisch gesprochen und das ziehe ich seit dem durch. Ich denke, hätte ich das nicht direkt gemacht wäre nur die Hürde immer höher geworden damit anzufangen. Fast alle Schweden waren bisher sehr geduldig und motivieren mich immer es weiter in Schwedisch zu versuchen.

Und die Leute da sprechen mich auch immer wieder an, wenn sie merken, dass ich mich zurückhalte. Dann sitzt ganz schnell jemand neben mir und fragt mich was. Wenn ich dann einfach keine Lust habe zu reden ist das aber auch okay. Gerade am Anfang weiß ich es echt zu schätzen etwas an die Hand genommen zu werden.

Mir wurde auch direkt von Anfang an ungefragt geholfen. An meinem ersten Tag war die Barnmorska da und hat direkt einen Termin mit mir vereinbart für die nächste U-Untersuchung. Außerdem wurden die Impfungen direkt gecheckt und ich habe Infomaterial bekommen. Ich bin jetzt für eine Eltern-Gruppe mit Kindern im selben Alter angemeldet, die dann auch in der Förskola stattfinden wird. Kostenfrei versteht sich. Ich habe richtig das Gefühl, dass sich alle so freuen, dass sie mir helfen können. Auch dass sie mir helfen können die Sprache zu lernen. Sjöbo ist sehr multikulturell und es gibt einige Mütter die zu der Kita kommen und auch nicht so gut oder teilweise gar nicht Schwedisch sprechen. Ich habe wirklich das Gefühl die Leute da sehen das als Bereicherung und nicht als nervig, weil die Gespräche dadurch stockender sind oder sowas.

Ich merke auch, dass es einen Unterschied macht ob jemand ehrenamtlich eine solche Gruppe leitet oder ob er ausgebildeter Pädagoge ist. In Deutschland wird für so was kaum Geld ausgegeben und ich bin froh und dankbar dass es Leute gibt die das dann in ihrer Freizeit übernehmen. Aber die haben einfach meistens nur die Erfahrung, die sie mit ihrem eigenen Kindern gemacht haben.

Niemals würden die Mitarbeiter der Förskola in der Kita ein Kind ungefragt anfassen und sie geben auch keine ungefragten Tipps oder Bewertungen. Kein Kind ‘muss’ irgendwas. Das Mantra was man täglich mehrfach hört ist: alla barn är olika. Also alle Kinder sind unterschiedlich. Es wird nicht bewertet, wenn ein Kind noch nicht einen Meilenstein erreicht hat und auch nicht wenn ein Kind ihn viel früher als andere erreicht hat. Das wird einfach anerkannt. Man bekommt einfach ein bisschen Mitleid wenn man mal wieder schlecht geschlafen hat und keine als Tipp getarnte Belehrung darüber was man alles falsch macht. Und die Mitarbeiter haben auch wirklich echten Spaß und wirken nie genervt oder gelangweilt. Gerade so beim Singen hängen die sich voll rein. Und das schwappt dann auf alle über. Außerdem schaffen die das, dass sich alle als Gruppe fühlen und miteinander ins Gespräch kommen. Man merkt einfach, dass die richtig gelernt haben, wie man mit Menschen umgeht.

Manchmal gibt es auch Sonderveranstaltungen. Letztens war jemand von der Familjerådgiving da und hat etwas erzählt zur Paarbeziehung nachdem man ein Kind bekommen hat. Dann gab es einen Vortrag zum Thema Ökonomie mit Tipps wie man Geld sparen kann. Bald gibt es einen dazu wie man als ganze Familie zusammen Sport machen kann.

Die Veranstaltungen kann man auch alle kostenfrei besuchen. Man zahlt in der offenen Vorschule nur für das Frühstück einen kleinen Betrag und der Babymassagekurs, der dort auch angeboten wird kostet für 5 Einheiten umgerechnet 5€.

Das führt denke ich dazu dass man dort Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten und Kulturen trifft. Das war ja eine der Hoffnungen die wir vor der Auswanderung hatten, dass wir aus unserer sozialen Filterblase kommen. So habe ich schon ganz verschiedene Menschen kennen gelernt und ich habe bisher kaum Grüppchenbildung gesehen, das mischt sich alles sehr schön.

Ein paar Väter und Großväter habe ich auch schon getroffen. Der überwiegende Teil der Erwachsenen da ist aber weiblich. Auch das komplette Personal. Die Gruppe, die ich bald besuche heißt offiziell Elterngruppe, wird aber inoffiziell Müttergruppe genannt. Und bei 98 % der Kinder erkennt man an den Klamotten welches Geschlecht sie haben. Das unterscheidet sich also nicht so sehr von Deutschland wie ich gedachte und gehofft hatte. Oft sind Auswandererblogs von Auswanderern in größeren Städten also Stockholm oder Göteborg geschrieben und wir haben in den wenigen Wochen hier schon mehrfach bemerkt, dass das was im Internet steht häufig zwar für Stockholm gilt, aber nicht unbedingt für den Rest Schwedens.

Was aber definitiv hier so ist, ist dass es viel normaler ist viele Kinder zu haben. Dass jemand 5 Kinder hat kommt vor. Dadurch sind auch oft ältere Kinder in der offenen Vorschule. Das Alter der Kinder dort liegt in einer Spanne von 3 Monaten bis 5 Jahren würde ich schätzen. Und die meisten Kinder sind zwischen 1 und 3 Jahren alt. Für jüngere und ältere Kinder ist denke ich das Spielzeug und das Konzept nicht so interessant. Für jüngere Kinder gibt es aber Mittwoch morgens eine extra Öffnungszeit und die Spiele werden dann an das Alter angepasst. Da ist es dann immer sehr voll und man kann sich gut mit anderen Eltern, die auch den ganzen Tag nichts anderes tun als sich um ihr Kind zu kümmern austauschen.

Wir hatten anfangs etwas Angst ob ich hier Anschluss finden werde während Marvin seinen Job hat. Nun bin ich so so froh, dass es die offene Vorschule hier gibt. 😊 Ich habe einen Ort gefunden an dem ich mich immer willkommen fühle, wo ich gerne hingehe, Kontakt zu anderen habe, die Sprache lernen kann und Rat bekomme. Gleichzeitig kann ich das mit meiner Tochter zusammen machen, sie kann spielen, andere Kinder kennenlernen, die neue Sprache hören und sich langsam und sachte an das Konzept einer Kita gewöhnen.

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