Arbeitssuche aus Deutschland
In vorigen Beiträgen haben wir schon erzählt, dass ich (Marvin) einen Job in Schweden gefunden habe. In diesem Beitrag möchte ich mehr darüber erzählen wie das geklappt hat.
Einen Job zu finden würde ich als den wichtigsten Schritt beim Auswandern bezeichnen, da es ansonsten schwierig werden kann die Anmeldung in Schweden durchzuführen und dann eine Personnummer zu bekommen (wie schon häufiger erwähnt: ohne die Personnummer geht nichts). Bei der Anmeldung muss man nämlich nachweisen, dass man sich (und seine Familie) in Schweden versorgen kann. Die politische Stimmung deutet aktuell auch eher darauf hin, dass es da in den nächsten Jahren Verschärfungen geben könnte. So oder so liegt es natürlich auch im eigenen Interesse die eigene Familie versorgen zu können und die einfachste Möglichkeit diesen Nachweis zu liefern ist ein unterschriebener Arbeitsvertrag.
Wenn man in seinem Berufsfeld noch nicht so spezialisiert ist oder weniger Erfahrung hat, lohnt es sich auf die Webseite der Arbetsförmedling (Arbeitsvermittlung) zu gehen. Da findet man Prognosen und Analysen wie sich Berufsfelder in Schweden entwickeln und in welchen Bereichen es Mängel an Beschäftigten gibt, bspw. hier.
Wenn man schon länger in einem Bereich tätig ist und genau weiß was man machen möchte, kann ich vor allem das Karrierenetzwerk LinkedIn empfehlen, da es in Schweden viel genutzt wird. LinkedIn kann man auf verschiedene Weise nutzen. Am besten hat es bei mir geklappt dort interessante Firmen und Stellenausschreibungen rauszusuchen. Die Stellensuche auf LinkedIn funktioniert sehr gut und bietet viele Suchfilter. Es macht auch Sinn Unternehmen oder Stellensuchen zu folgen und im Auge zu behalten, da täglich neue Stellenangebote auftauchen. Allgemein hat es bei mir nicht wirklich gut geklappt Teammanager anzuschreiben und Interesse zu bekunden, ich denke das wird eher als nervig empfunden. Es gab da eine Ausnahme bei mir, aber da bin ich zufälligerweise auf dieselbe Uni wie der Manager gegangen und hatte dadurch direkt ein Möglichkeit das Eis zu brechen. Wenn man nun einmal interessante Stellen gefunden hat, kann man sich am besten über die Webseite des jeweiligen Unternehmens bewerben. Eine Bewerbung sollte immer ein persönliches Motivationsschreiben enthalten. Das ist in Deutschland mittlerweile schon fast altmodisch, aber in Schweden sehr wichtig. Dort erzählt man etwas darüber weshalb man diese Stelle gewählt hat und wer man ist. Es geht nicht so sehr darum zu schreiben wie toll man ist, sondern viel mehr möchten die Manager wissen ob man in das Team passt. Darauf wird viel Wert gelegt.
Ich würde empfehlen bei den Bewerbungen nicht zu sparsam zu sein, also viele Bewerbungen an möglichst viele Unternehmen zu senden (nicht mehr als zwei, maximal drei Bewerbungen an ein Unternehmen). Erstens dauert es in Schweden teilweise Monate bis man eine Antwort bekommt (gerade um die Sommer- und Weihnachtszeit) und zweitens ist es durchaus üblich überhaupt keine Antwort zu bekommen, auch keine automatisierte Absage. Schwedische Unternehmen sind meiner Erfahrung nach auch relativ faul jemanden aus dem Ausland einzustellen, auch wenn es das EU Ausland ist. Es werden viel lieber Leute eingestellt, die schon in Schweden leben oder zumindest in einem anderen skandinavischem Land. Einmal fürchten die Unternehmen die Bürokratie (die es soweit ich weiß auf Unternehmensseite kaum gibt) und zusätzlich wird es als Risiko gesehen dass sich der potentielle Mitarbeiter in Schweden nicht wohlfühlen und schnell weiterziehen könnte. Beide Punkte sollte man beim Schreiben des Motivationsschreibens und im Bewerbungsgespräch im Hinterkopf behalten.
Wenn man zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird, sollte man klären ob das Unternehmen die Anreise bezahlt. Größere Unternehmen sollten das meiner Meinung nach immer tun. Bei kleinen Firmen könnte man überlegen es zu versuchen Hilfe von EURES zu bekommen, bspw. durch Your first EURES job, wenn es zu einem passt. EURES ist die Arbeitsvermittlung der EU, macht auf mich einen guten Eindruck, habe ich aber zu spät entdeckt und daher erst für die Relocation genutzt. Bewerbungsgespräche bei einem Unternehmen vor Ort sind bei mir immer einem Skype Interview gefolgt. In dem Fall kann man davon ausgehen, dass das Unternehmen ernsthaft interessiert ist. Allgemein ist die Arbeitskleidung in Schweden mehr “casual” als in Deutschland, das heißt ich bin in Hemd, Sakko und Jeans zum Bewerbungsgespräch gegangen. Einen Anzug würde ich als auffällig overdressed ansehen, zumindest in technischen Bereichen (z.B. im Finanzbereich könnte das anders sein). Zu den allgemeinen Tips zum Bewerbungsgespräch die man überall im Internet findet (über das Unternehmen, die Stelle, usw. im Vorfeld informieren etc.) kommt hier hinzu, dass es einen sehr sehr guten Eindruck macht etwas Schwedisch sprechen zu können, auch wenn es nur ein paar Sätze sind. Schweden sprechen bekannterweise sehr gut Englisch, das heißt aber nicht dass sie nicht lieber ihre Muttersprache sprechen würden. Wenn man als Bewerber schon etwas Schwedisch sprechen kann, zeigt das nicht nur Willen Schwedisch zu lernen, sondern auch sich zu integrieren.
Bekommt man am Ende ein Angebot, muss man das natürlich irgendwie bewerten können. Das ist gar nicht so einfach, da man gerade das Gehalt nicht mit deutschen Gehältern vergleichen kann (in Deutschland verdient man Brutto oft deutlich mehr). Daher schaut man am besten in Statistiken, entweder von Statistics Sweden oder von der zu einem passenden Gewerkschaft (sofern die Daten öffentlich sind), beispielsweise Sveriges Ingenjörer. Das Suchwort für die Internetrecherche ist hier “lönestatistik”, aber es ist teilweise sehr schwer einzuschätzen wie genau die Statistiken sind. Es sollte einem bspw. bewusst sein, dass in Stockholm viel höhere Löhne gezahlt werden als im Rest des Landes (es ist natürlich auch viel teurer dort zu leben), das kann die Statistik verzerren. Im Vergleich zu Deutschland zahlt man in Schweden spürbar weniger (!) Steuern auf seinen Bruttolohn. Die Steuern auf den schwedischen Lohn kann man sich einfach ausrechnen lassen bei ekonomifakta. Schwedische Arbeitsverträge basieren überwiegend auf Vereinbarungen mit Gewerkschaften und man sollte darauf achten dass die Rentenbeiträge bspw. “ITP 1” enthalten sind. Idealerweise ist man nicht nur mit einem Unternehmen in Verhandlung, sondern mit zweien oder sogar dreien. Dann kann man natürlich besser vergleichen und vielleicht noch etwas raushandeln. Allgemein würde ich dazu raten Angebote relativ zu den Kosten vor Ort zu sehen und sich die Hauspreise bei Mäklarstatistik anzusehen. Die Unterschiede zwischen z.B. Stockholm, Göteborg und Borås sind enorm. Außerdem würde ich nicht zuuu sehr aufs Geld achten (um mein Gehalt zu optimieren würde ich nicht nach Schweden ziehen), sondern darauf dass es “passt” und man sich wohl fühlt.
Das waren jetzt natürlich alles eher allgemeine Erfahrungen und Ratschläge, also wie hat es schlussendlich bei mir geklappt? Ich habe alles genau so gemacht wie oben beschrieben und vor allem LinkedIn benutzt. Am Ende hatte ich mehrere Angebote an verschiedenen Orten in der (südlichen) schwedischen Industrie. Mir ist aber klar geworden, dass ich die Forschung nicht ganz hinter mir lassen möchte (auch wenn ich nicht mehr an einer Universität arbeiten möchte). Am Ende ist es ein Forschungsinstitut der Research Institutes of Sweden (RISE) in Borås geworden. Auf die bin ich gar nicht selbst gekommen, sondern ich habe auf einer Konferenz, zu der ich eigentlich gar nicht geplant hatte zu gehen, mit jemandem über die Schwedenpläne gesprochen und er hat mir dann einen meiner zukünftigen Arbeitskollegen vorgestellt. Das kam für mich aus dem Nichts und ich hatte mir anfangs nicht viel davon versprochen, am Ende war ich überrascht wie gut die Stelle passt. Hier werde ich in Zukunft an “zuverlässigen Systemen”, also vor allem Computer im Transportbereich z.B. in Autos oder Züge forschen und habe gleichzeitig durch gemeinsame Projekte einen sehr guten Draht zur Industrie.
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